EINE VOLKSBILDNERISCHE INTERVENTION von und mit Kurt Palm, Werk X Wien, 2014
Im Jänner und Februar 1913 hielt sich Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili, besser bekannt unter dem Namen Stalin, in Meidling auf, um hier das bahnbrechende Werk Marxismus und nationale Frage zu schreiben. Auf Vermittlung Lenins kam Stalin beim Emigrantenehepaar Alexander und Jelena Trojanowski unter, das mit seiner kleinen Tochter Galina und der Haushälterin Olga Weiland in der Schönbrunner Schloßstraße 30, auf Tür Nummer 7, lebte. Hier verfasste der „prächtige Georgier“, wie er von Lenin genannt wurde, aber nicht nur diesen Grundsatztext zur russischen Revolution, hier traf er auch zum ersten Mal mit Leo Trotzki zusammen. Gäbe es den Ausdruck „Hass auf den ersten Blick“, dann würde er wohl auf diese Begegnung zutreffen. Während Trotzki von Stalins „vor Bosheit funkelnden gelben Augen“ abgeschreckt war, sah Stalin in Trotzki in erster Linie einen „Marktschreier“. Auch Stalins erste Begegnung mit Nikolaj Bucharin, dem langjährigen Chefredakteur der Prawda, fand in dieser Wohnung statt. Wie Trotzki wurde auch Bucharin Jahre später ein Opfer von Stalins Säuberungspolitik. Nachdem bei den Bolschewiki Unklarheit darüber herrschte, wie man das Nationalitätenproblem in Russland lösen solle, wurde Stalin nach Wien geschickt, um aus den Fehlern der Habsburger die richtigen Schlüsse für die Vorbereitung der Revolution in Russland zu ziehen. (…)